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29.02.2012 | 18:21 | CHRISTINE IMLINGER (Die Presse)
Bei den diesjährigen Protesten am 1.März geht es um die Sprache – Migranten wehren sich gegen den Zwang, Deutsch zu sprechen. In Wien, Linz und Innsbruck sind Aktionen geplant.
Wien. „Hayir, Jo, Lo, Ne, Njet, No, Non, Nu!“ – mit einem „Nein“ in verschiedenen Sprachen ruft eine Gruppe von Migrantinnen heute, Donnerstag, zum Streik gegen den, wie sie sagen, Deutschzwang, auf. Die Sprache ist heuer das Thema des „transnationalen Migrantenstreiks“ am 1.März. Streik bedeutet dabei nicht Arbeitsniederlegung, vielmehr gehe es, so die Initiatoren, um eine Bestreikung des „rassistischen Alltags“. Die Initiatoren, das sind Zuwanderer sowie verschiedene linke und antirassistische Vereine.
„Es ist gut, dass wir Deutsch lernen, aber die Aktionen richten sich dagegen, dass Deutsch als einzige Sprache gilt“, sagt Aghator Clifford, einer der Initiatoren des Aktionstages. Für ihn bedeutet Sprachstreik, dass er heute, Donnerstag, nicht Deutsch sprechen wird, sagt der gebürtige Nigerianer. Mit der Drohung, das Aufenthaltsrecht zu verlieren, würden Zuwanderer mit immer neuen Gesetzen und Verordnungen gezwungen, immer schneller ein vorgegebenes Niveau der deutschen Sprache vorzuweisen. In einzelnen Unternehmen oder in Schulen und Kindergärten werde indes verboten, mit Kunden oder außerhalb des Unterrichts andere Sprachen als Deutsch zu sprechen. Das Problem aber, so heißt es im Aufruf zum Streik, sei nicht die Vielfalt an Sprachen, sondern der Versuch, durch die Sprache über Menschen zu regieren, ihnen ihre ursprüngliche Sprache abzuerkennen oder sie durch Ausdrücke wie „Scheinasylant“ oder zuletzt „Ankerkinder“ herabzuwürdigen.
Der internationale Tag des Migrantenstreiks geht auf Proteste in den USA zurück. Am 1.März 2006 haben dort Millionen Menschen gegen verschärfte Einwanderungs- und Asylgesetze protestiert. Die Welle griff auf andere Länder über. Am 1.März 2010 haben Aktivisten in Frankreich, Spanien, Griechenland oder Italien Migranten unter dem Motto „Ein Tag ohne uns“ aufgerufen, die Arbeit niederzulegen und den Konsum zu boykottieren. Das sollte zeigen, dass Migranten zum Funktionieren der Wirtschaft beitragen, ihnen zugleich aber Rechte vorenthalten werden. Auch in Österreich fand 2011 erstmals der Migrantenstreik statt. Dieser Tag soll sich, so hoffen die Aktionisten, so wie der 8.März als Tag der Frauen oder der 1.Mai als Tag der Arbeit, als Tag der Migranten etablieren.
In Wien gibt es heute – neben dem Aufruf zum Sprachstreik – über den Tag verteilt Kundgebungen zum Beispiel am Handelskai, am Stephansplatz oder am Viktor-Adler-Markt. Jugendzentren halten Betriebsversammlungen ab, auch in Linz und Innsbruck sind Aktionen zum Thema geplant.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.03.2012)
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